Wenn Sie sich ein wenig mit den Werten und Prinzipien agiler Arbeitsweisen auseinander gesetzt und verstanden haben, dass es dabei nicht um die Methoden selbst, sondern um eine neue, kundenzentrierte und teamorientierte Arbeitsweise und Miteinander geht, können Sie los legen. So setzen Sie Scrum im Vertrieb um.
Was Sie brauchen:
– ein Team von mind. 5 Mitarbeitern
– eine große Wand, die beklebbar ist
– Post-it’s (verschiedene Farben und Größen) + Stifte
– Abklebeband (das, was man zum Malern benutzt) für die Markierung der Spalten
– einen agilen Trainer, Coach oder Scrum Master, der den Prozess begleitet
Und außerdem:
– Mut & Vertrauen, sowohl in die Mitarbeiter als auch in den Prozess
– Offener Umgang mit Fehlern (agil ist nicht Reporting!)
– Hohe Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation
Scrum im Vertrieb – das Agile Sales Backlog
Das erste, womit das Team beginnt, ist ein sogenanntes Product Backlog. Das könnte im Vertrieb ein Brainstorming über Zielkunden, Kundenwünsche, konkrete Aufträge, Kundenbindungsprogramme, Veranstaltungen oder andere Projekte sein, die Sie im (gern auch bereichsübergreifenden) Team agil bearbeiten wollen. Sammeln Sie alles, was Ihnen einfällt. Notieren Sie es auf Post-it’s und kleben Sie diese entweder direkt auf das Taskboard oder an eine andere gut sichtbare Stelle, damit nichts verloren geht.
Tipp:
Es lohnt sich, das erste Backlog mit einer Einführung über agile Methoden, Werte und Prinzipien zu verknüpfen und von einem externen Coach, Scrum Master, Trainer oder Moderator begleiten zu lassen.
Scrum im Vertrieb – die Agile Sales Sprint-Struktur
Lassen Sie das Team entscheiden, wie lange ein Sprint (Arbeitsphase bis zur Erreichung eines definierten Zieles) andauern soll. Einige Vertriebsteams arbeiten von Quartal zu Quartal, andere finden monatliche Sprints besser. Generell sollte ein Sprint lang genug sein, um die Aufgaben erfüllen zu können, aber kurz genug, um das Team zu fokussieren.
Scrum im Vertrieb – Agile Sales Meetings
Alle Meetings sollten im Stehen durchgeführt werden und nicht länger als 30 Minuten dauern. Einzige Ausnahme ist die Retrospektive (empfohlene Zeit: 90 Minuten). Das Timeboxing (man benötigt einen Timer, der die verbleibende Zeit für alle gut sichtbar anzeigt) ist dabei sehr wichtig, damit die Teammitglieder sich selbst disziplinieren und auf ihre Redezeit achten können.
Scrum im Vertrieb – das Sprint-Planning:
Zu Beginn eines jeden Sprints, plant das Team, welche Aufgaben es als nächstes (z.B. innerhalb eines Quartals/Monats) erfüllen will. Dies bedeutet diskutieren und priorisieren. Das Paretoprinzip oder die Priorisierung nach Aufwand und Nutzen sind dabei hilfreich. Entscheiden Sie sich am Anfang für wenige Aufgaben, um sich erst einmal mit der agilen Arbeitsweise vertraut zu machen.
Legen Sie gemeinsam für jede ausgewählte Aufgabe aus dem Backlog einen Product Owner fest. Nach der Pull-Methode wählt dann jedes Teammitglied aus, an welchem Thema es mitarbeiten und seine Fähigkeiten einbringen möchte.
Zu viele Aufgaben und zu wenige Teammitglieder?
Dann wandern Aufgaben zurück ins Backlog.
Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit: das Sammeln von To Do´s im Team, die Einschätzung darüber, wie viel Zeitaufwand nötig ist und zu welchen Terminen bestimmte To Do´s erledigt sein müssen, um die Aufgabe in der vorgeschriebenen Zeit zu erledigen. Sie notieren wieder alles auf Post-it’s, die zunächst wahllos auf das Taskboard geklebt, im nächsten Schritt priorisiert und anschließend mit Namen (Kürzel) derjenigen versehen werden, die die To Do’s übernehmen (Pull-Methode).
Die Idee hinter dem Sprint-Planning ist es, den Sprint mit einer klaren Vorstellung davon zu beginnen, was getan werden muss und warum. Eine gründliche Planung sorgt für reibungslose Zusammenarbeit und bessere Ergebnisse.
Scrum im Vertrieb – so sezten Sie Stand-ups um:
Weil Vertriebsmitarbeiter oft unterwegs sind oder räumlich entfernt voneinander arbeiten, ist es schwer, das gesamte Team täglich (wie das Daily Stand-up bei Developern üblich) zu versammeln. Die Erfahrung aus anderen Bereichen zeigt, dass ein wöchentliches Stand-up auch ausreicht, um über den Fortschritt zu informieren, über Hindernisse zu diskutieren und die Team-Leistung zu steigern. Die direkte Kommunikation im Team ist jedoch wichtig, um die gesamte Wissensbasis oder Schwarmintelligenz zu nutzen, doppelte Arbeit zu vermeiden und aus Fehlern zu lernen.
Scrum im Vertrieb – die Retrospektive:
Im Scrum ist die Retrospektive ein Ritual, um die Zusammenarbeit im Team zu reflektieren und ggf. Anpassungen vorzunehmen. Nachdem das Team die kulturelle Veränderung akzeptiert und damit begonnen hat, Erfahrungen zu sammeln, ist es wichtig, dass der Scrum Master in der Retrospektive (auch Retro genannt) vermittelt, dass die agilen Methoden wie Scrum, Kanban oder auch Scrumban mehr sind, als ein Weg, sich zu organisieren. Es ist eine Philosophie der kontinuierlichen Verbesserung im Prozess der Bewältigung komplexer Aufgaben. Jede Retro ist ein weiterer Schritt im Streben nach Exzellenz.
Agile Sales Rollen (SCRUM im Vertrieb)
Der Product Owner sorgt dafür, dass am Ende das raus kommt, was am Anfang definiert und besprochen wurde. Er ist der Meister des WAS. Hinter dem Team stecken die Macher. Sie sind Meister des WIE. Der Scrum Master steuert den Prozess und sorgt dafür, dass Termine mit dem gesamten Team und den Stakeholdern eingehalten werden. Er ist der Meister des PROZESSES. Stakeholder sind in der Regel Auftraggeber. Sie bestimmen entweder den Rahmen und das Budget, sind Befürworter des Projektes oder wichtige Meinungsbildner, die man unbedingt mit in den agilen Prozess einbeziehen sollte.
Wichtig:
Die Rollen im Scrum haben nichts mit Hierarchie zu tun. Ein Scrum Master muss nicht zwangsläufig der Chef sein, ein Product Owner nicht der Teamleiter oder Key Accounter. Es sollte immer derjenige sein, der es in dem Moment am besten kann, d.h. über entsprechendes Wissen oder Fähigkeiten verfügt. Ein Scrum Master sollte nicht gleichzeitig Product Owner oder Teammitglied sein.
Agile Sales TASKBOARD
Das Taskboard, Scrum Board oder auch Kanban Board genannt ist ein Werkzeug, um die Arbeit transparent zu machen. Es besteht aus 4 Spalten: TASK (die Aufgabe, die es zu lösen gilt), TO DO (die einzelnen Arbeitsschritte), W.I.P. work in progress oder manchmal auch DOING (alles, was bereits in Arbeit ist). Und DONE (alles, was erledigt wurde). Manche Teams setzen vor die TASK noch das BACKLOG und vor DONE noch REVIEW (Auslieferung) für Dinge, die nachbearbeitet werden müssen, bevor der komplette Prozess abgeschlossen ist.
Im Vertrieb könnten in der TASK Spalte die zu lösenden Kundenanfragen oder -wünsche mit den dazu gehörigen verantwortlichen Product Ownern stehen. Ist die agile Arbeitsweise im Team akzeptiert, könnten hier auch einzelne Leads oder Opportunities und ihre Key Accounter statt Product Owner stehen und die Spalten könnten z.B. alle Schritte/Aktionen des Verkaufsprozesses beinhalten. So wird transparent, welche Aktionen zum Erfolg führten, wie lange was dauerte und an welcher Stelle der Prozess stockte.
Tipp:
Für den Anfang empfehle ich, es beim klassischen Board zu belassen und nur wenige, vielleicht eher übergreifende Aufgaben zu bearbeiten, um es nicht zu kompliziert zu machen und sich erst einmal an den Prozess zu gewöhnen.
Die Kraft agiler Methoden im Vertrieb
Das Anwenden agiler Methoden außerhalb der IT schreitet in schnellen Schritten voran und breitet sich in immer mehr Bereichen von Organisationen aus. Selbst in Konzernen wird im Projekt- und Produktmanagement, im HR Bereich und sogar in der Rechtsabteilung agil gearbeitet. Es gibt mittlerweile Unternehmen, die komplett auf AGIL umgestellt haben, wo die Führungskräfte demokratisch gewählt werden oder man auf Hierarchien komplett verzichtet. Die agile Arbeitsweise ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung der Team-Leistung, welche im Vetrieb durch Umsatzzahlen in Verbindung mit Kundenzufriedenheit besonders gut messbar ist.
Agiles Arbeiten fördert die Kommunikation unter- und das Verständnis füreinander, schafft Transparenz und nutzt das Wissen aller für die Bewältigung von Aufgaben in einer komplexen Welt. Aber vor allem schärft die agile Arbeitsweise den Blick für das große Ganze und macht jedem klar, wer eigentlich der Chef ist. Und das ist nicht der Chef, sondern der KUNDE oder besser der NUTZER. Der entscheidet, mit wem er in Zukunft Geschäfte macht und mit wem eben nicht mehr. Und das selbst große Unternehmen permanent auf der Hut und um Kunden bemüht sein müssen, hat die Vergangenheit gezeigt (Nokia, Siemens, VW, Telekom).
Wenn Sie agile Methoden im Vertrieb einführen, müssen Sie streng sein. Unerfahrene Teams neigen dazu, sich die Rosinen aus dem Prozess herauszupicken und ansonsten ihre alte Art, die Dinge anzugehen, beibehalten. Neben der Veränderung des mindsets gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Chefs müssen z.B. auch Vergütung und finanzieller Anreiz für agile Verkaufsteams am Erfolg des Teams ausgerichtet werden, nicht an Einzelergebnissen.
Seien Sie streng und diszipliniert, beim Überprüfen und Anpassen, und streben Sie nach kontinuierlicher Verbesserung, denn das ist die Kraft von agilen Methoden.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Ihre Jana Buchholz